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AutorenbildAndreas Borsch

Der Bausparvertrag - Eine Wette, die kaum ein Bausparer versteht

Es ist hochkomplex und wird dennoch vertrieben wie geschnitten Brot! Warum Bausparen auf einmal wieder in ist – und worauf Sie achten sollten – titelte im Juni 2023 der Stern. Im Zuge steigender Bauzinsen und der Energiewende erlebe das Bausparen ein Comeback. Aber lohnt es sich tatsächlich, einen Bausparvertrag abzuschließen? – Eine rein nüchterne und finanzmathematische Betrachtung.


Zuletzt hatten die 18 Bausparkassen, die es laut Statista in Deutschland noch gibt, unter der langanhaltenden Niedrigzinsphase gelitten. Die zehn privaten und acht öffentlichen Institute hatten wegen ihrer zum Teil sehr restriktiven Vorgehensweise gegen Altkunden und Kundinnen für Unmut gesorgt. So hatten die Bausparkassen in den vergangenen Jahren unter anderem alte Verträge – meist mit hohen Guthabenzinsen – gekündigt. Ein Vorgehen, das in vielen Fällen nicht rechtmäßig war. Die Verbraucherzentrale Bundesverband übte daran heftige Kritik.

Nun wird die Wiederauferstehung des Bausparvertrages gefeiert. Aus allen Rohren tönt es wieder:

Stern – „Bausparen: Warum es wieder in ist…?“ ZDF – „Comeback des Bausparvertrags…“ Börse Online – „Der Bausparer ist zurück!“ Tagesschau – „Bausparen wird bei Verbrauchern wieder beliebter!“

Dass unter den kritischen Anlegern ausgerechnet ein Produkt floriert, bei dem die Anbieter bis heute weder eine Rendite für die Sparzeit noch einen Vergleichszins für den Kreditzins ausweisen müssen, entbehrt in einem Land von meist notorisch misstrauischen Anlegern nicht einer gewissen Komik.

Wie funktioniert ein Bausparer?

Bausparen stammt – man mag es kaum glauben – aus China, wo bereits 200 v. C. das kollektive Sparen in Form einer Spargesellschaft auf gemeinnütziger Gegenseitigkeit entwickelt wurde. Die erste richtige Bausparkasse wurde aber erst im Jahre 1775 in England in der Stadt Birmingham gegründet. Die zweite Bausparkasse entstand 1831 in den USA und ein Jahr später folgten Australien und Neuseeland. Wieder ein Jahr später, also im Jahre 1833, wurde die Bausparkasse in Südafrika und 1834 eine in Brasilien gegründet. Erst 1885 gründete ein Bielefelder Pastor die erste deutsche Bausparkasse. Diese nannte sich „Bausparkasse für jedermann“.

Heute ist der Bausparvertrag (BSV) immer noch das Basisprodukt im Vertrieb der Banken und Finanzvermittler. Egal mit welchem Wunsch der Kunde kommt… Ein Bausparvertrag passt immer.

"Sie wollen sparen und einen festen Zinssatz? Sie möchten Ihre Vermögenswirksamen Leistungen anlegen? Sie möchten staatliche Förderungen erhalten? Sie möchten Wohneigentum erwerben? Sie möchten für Ihre Kinder/Enkel eine Basis für den Immobilienwunsch schaffen? Sie haben eine Immobilie und wollen für Eventualitäten finanziell vorsorgen? Sie planen eine Renovierung oder möchten sich in ein paar Jahren eine neue Küche kaufen? Sie haben eine Baufinanzierung und suchen schon heute eine Anschlussfinanzierung?" Dann möchte ich Ihnen gerne unseren Bausparvertrag vorstellen!“

Und schon rollt der Rubel. Für den Vertriebler natürlich!

Der Bausparvertrag ist ein recht komplexes Kombinationsprodukt

Der Bausparer erwirbt mit dem Bausparvertrag nach einer anfänglichen Spar- und Wartezeit einen zukünftigen Darlehensanspruch. Die Spar- und Darlehensrate als auch der Zinssatz für die Spar- und Darlehensphase stehen von Anfang an fest. Sind Mindestguthaben, -Vertragsdauer, Bewertungszahl und Mindestsparzeit erreicht, kann das Darlehen bei ausreichender Bonität und Besicherung ausgezahlt werden. Klingt einfach – oder?

Negative Renditen

Bei einem Bausparvertrag von 100.000 EUR Bausparsumme (BSS), 0,01 % Guthaben und 1,55 % Kreditzins sowie einer Anspardauer von 10 Jahren zahlt der Bausparer laut einem Angebot eines deutschen Marktführers 56.760 EUR in seinen Vertrag ein. 473 EUR jeden Monat.


Nach 10 Jahren hat er ein Guthaben von 55.035 EUR erreicht. 1.724 EUR weniger als eingezahlt. Wie das? 1,60 % Abschlusskosten auf die BSS (also 1.620 EUR) sind bei Vertragsabschluss fällig und fließen an den Berater/die Bank.

Es gibt sie also doch noch, die Negativrendite auf das eigene Geld!?

Bei guten Direktbanken bekommen Sie heute wieder bis zu 3,70 % für Tagesgeld und bis zu 3,90 % für 5-Jahres Festgelder - ohne Abschlusskosten!

Was wäre wenn? Aus Eins mach Zwei!

Ein Bausparvertrag ist letztendlich nur eine Kombination von zwei Finanzprodukten – einem Spar- und einem Kreditvertrag zu Festkonditionen für die gesamte Laufzeit.


Was wäre, wenn wir das Produkt in seine Einzelteile zerlegen und einzeln zu Marktkonditionen „einkaufen“?

Rechnung 1 – Sparphase

Wie gesagt, 3,7 % bekommt ein Sparer heute für eine Tagesgeldanlage und bis zu 3,90 % für ein 5-jähriges Festgeld bei einer Direktbank. Nun wollen wir aber mal nicht zu hoch pokern und nehmen die 10-Jahresrendite einer Bundesanleihe. Die liegt derzeit bei knapp 2,60 %.

Rendite 10-jährige Bundesanleihe

Quelle: stock3

Wir rechnen

10 Jahre monatlich 473 EUR zu 2,60 % angelegt, ergeben 64.780 EUR. Das sind 9.745 EUR Mehrertrag im Vergleich zum Bausparvertrag! Selbst nach Abzug von Abgeltungssteuern und Soli verbleiben immer noch 62.550 EUR. Kann ein Steuerfreibetrag von 1.000 EUR pro Jahr angesetzt werden, ergibt sich eine Ablaufleistung von 64.465 EUR. Also immer noch 7.515 EUR mehr als beim Bausparer.

Rechnung 2 – Darlehensphase

Um zu ermitteln, wie hoch der Grenz-Kreditzins in der Darlehensphase sein darf, bevor sich der Bausparvertrag gegenüber der „Eigenkreation“ zum Zeitpunkt der Zuteilung – also in 10 Jahren – rechnet, berechnen wir zuerst die Darlehenshöhe. Beim Bausparvertrag ist das die Differenz zwischen Bausparsumme und dem Sparguthaben.

Wir rechnen – Schritt 1

Darlehenshöhe Bausparvertrag = 44.965 EUR Eigenkreation 1 (ohne Steuerabzug) = 35.220 EUR Eigenkreation 2 (mit Steuerabzug inkl. Freibetrag) = 35.535 EUR Eigenkreation 3 (mit Steuerabzug ohne Freibetrag) = 37.450 EUR

Wir rechnen – Schritt 2

Wir nehmen die Ratenhöhe von 380 EUR pro Monat aus dem Bausparvertrag und die Darlehenslaufzeit von 10 Jahren und 9 Monaten (=129 Monate). Jetzt errechnen wir anhand der Darlehenshöhe der „Eigenkreation“, der Rate und Laufzeit aus dem Bausparvertrag den Grenzzinssatz für die Eigenkreation.

Eigenkreation 1 - Grenzzinssatz = 6,49 % Eigenkreation 2 - Grenzzinssatz = 6,30 % Eigenkreation 3 - Grenzzinssatz = 5,22 %

Diese Berechnungen können Sie selbst ganz einfach mit dem im Internet frei zugänglichen Finanzrechnertool www.zinsen-berechnen.de nachvollziehen.

Was sagt uns das?

Wenn wir uns den Bausparvertrag selbst „bauen“, indem wir in der Sparphase zu Marktkonditionen anlegen und dann den Darlehensanteil zu Marktkonditionen finanzieren, macht ein Bausparvertrag erst Sinn, wenn zu Beginn der Darlehensphase der Kreditzins für eine Laufzeit von 10 Jahren und 9 Monaten am Markt über dem Grenzzinssatz liegt.

Für Kritiker dieser Rechnung

Erfahrungsgemäß kommen jetzt die Kritiker (meistens aus dem Bereich der Bausparkassen und Banken) und argumentieren, dass diese Rechnung unseriös sei, da man ja die aktuellen Anlagezinsen nicht beliebig in die Zukunft schreiben kann. Das ist korrekt!

Der aktuelle Leitzins der EZB liegt bei 4,25 %. Die Banken geben davon aktuell bis zu 3,70 % an ihre Kunden weiter. Wenn ich jetzt die Rechnung mit 3,50 % Anlagezins berechne (aktuelle Kondition der DKB), komme ich bei den obigen „Eigenkreationen 1-3“ auf Grenzzinssätze von 8,44 %, 7,81 % bzw. 6,45 %.

Zudem gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen Anlage- und Kreditzinssätzen. Beide steigen und fallen gemeinsam – wenn auch gelegentlich zeitlich versetzt. Erhöhen sich die Kreditzinsen, dann erhöht sich auch der Ertrag auf der Anlagenseite. Der Darlehensanteil sinkt, der Grenzzinssatz steigt.

Was müsste also passieren, damit ein Bausparvertrag mit hoher Sicherheit besser als die „Eigenkreation“ ist?


Die Anlage- und Kreditzinsen müssten die nächsten 10 Jahre stagnieren oder fallen, um dann sprunghaft über den Grenzzinssatz zu steigen. Durchaus ein mögliches Szenario. Doch das ist pure Spekulation.

Übersicht Grenzzinssätze Bausparvertrag

Ich habe diese Rechnung einigen Bankern und Vertretern von Bausparkassen vorgetragen. Zuerst ungläubiges Staunen, dann die verzweifelte Suche nach Gegenargumenten und dann meist betretenes Schweigen.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Ein Bausparvertrag ist somit eine knallharte Wette auf die Zinsentwicklung der - in diesem Beispiel - nächsten 10 Jahre! Ob das der Bausparer weiß?

Bausparverträge eignen sich derzeit für Geringverdiener, die vom Arbeitgeber vermögenswirksame Leistungen erhalten, Anspruch auf Arbeitnehmersparzulage und Wohnungsbauprämie haben. Vorausgesetzt, die Bausparsumme ist nicht zu hoch! Leidvolles Glück, dass genau die gefördert werden, die sich aufgrund ihres Einkommens in der Regel kein Wohneigentum leisten können.

Alle anderen Interessierten sollten sich zuvor eine dezidierte Zinsmeinung bilden und den Berater bitten, den Grenzzinssatz auf Grundlage ihrer Zinsmeinung zu errechnen. Anhand dieser Daten können sie dann abwägen, ob ein Bausparvertrag die richtige Lösung für ihr Ziel ist.



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