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"Wie werde ich reich?" Mit Strategie zum Erfolg Teil 3 - Portfoliotheorie nach Markowitz

Aktualisiert: 15. Okt. 2019


(veröffentlicht auf cashkurs.com am 31.05.2016)


„Lege nicht alle Eier in einen Korb“ ist wohl eine der bekanntesten Börsenweisheiten und meint, dass man sein Vermögen breit streuen sollte, um die Risiken möglichst gering zu halten. Doch wie definiere ich Risiken und wie breit ist breit genug gestreut? Harry Markowitz bekam für seine moderne Portfoliotheorie den Nobelpreis. Aber funktioniert das heute auch noch?

Bereits in den 50er-Jahren wies der Wirtschaftswissenschaftler Markowitz nach, dass eine breite Streuung auf mehrere Anlageklassen wie Aktien, Anleihen, Rohstoffe oder Immobilien das Risiko im Depot senkt. Der Grundgedanke seiner Theorie ist einfach: Jede Anlageklasse reagiert unterschiedlich auf Entwicklungen am Finanzmarkt. Wenn eine Anlageform in Turbulenzen gerät, entwickeln sich andere möglicherweise positiv oder sind gar nicht betroffen.


Drei Parameter beschreiben dabei den Beitrag jeder einzelnen Anlage zum Ergebnis des Gesamtportfolios:

  • die zukünftige Rendite jeder Anlage (Renditechance)

  • die Schwankungsbreite jeder Anlage (Risiko)

  • die Entwicklung der einzelnen Anlagen zueinander (gemessen als Korrelation).

Korrelation

Die Korrelation beschreibt den Zusammenhang zwischen zwei unterschiedlichen Anlagen. So korreliert die Fahrdauer direkt mit der Fahrgeschwindigkeit, der Bauchumfang direkt mit der Menge der Nahrungsaufnahme u.s.w.. Der Korrelationskoeffizient gibt den Grad des Zusammenhangs an. Dieser wird mit einer Zahl zwischen -1 und 1 angegeben. Ist der Wert 0 gibt es keinen Zusammenhang. Die Zahl 1 steht für einen vollständigen positiven linearen und die Zahl -1 für entsprechend negativen Zusammenhang (ein Wert wächst, während der andere abnimmt). Das Risiko eines schwankungsstarken Wertpapieres A kann also reduziert werden, wenn ein weiteres Wertpapier B mit einer möglichst negativen Korrelation zu A hinzugefügt wird.


Diversifikation

Diversifikation ist das Erfolgsgeheimnis jeder Anlagestrategie. Hier geht es weit über das bloße Streuen über mehrere Anlagen hinaus. Wenn ich bsw. eine Daimler besitze, streue ich zwar mein Depot, wenn ich eine VW, eine Porsche und BMW hinzufüge. Mit Diversifikation hat das jedoch nichts zu tun. Vielmehr muss ein Wert hinzugefügt werden, der sich möglichst unabhängig von Automobilwerten entwickelt – also möglichst gering korreliert. Wie sagt so schön der Bauer, der nach einer Überschwemmung all seine Hühner verloren hat? Enten müsste man haben…


Portfoliotheorie

Markowitz geht davon aus, dass Anleger zwar Rendite schätzen, die Wertschwankungen, d.h. Schwankungen in der Entwicklung der Renditen, aber als Risiko empfinden. Ein Anleger betrachtet sein Portfolio als „optimal“, wenn bei dem Risiko, welches er bereit ist einzugehen, die Rendite maximiert (effizientes Portfolio) wurde. Es gibt also nicht nur ein effizientes Portfolio, sondern zu jedem Risiko ein effizientes Portfolio. Alle effizienten Portfolios entsprechend ihres Risikos nebeneinandergestellt, bilden den effizienten Rand (Grafik).


Jedes Wertpapier und auch jede Depotstruktur kann in einem Rendite-Risiko-Diagramm mit dem Chancen-Risiko-Profil abgetragen werden. Je nach Gewichtung kann ich mit einem Wertpapier A und einem Wertpapier B ein ganz individuelles – meiner eigenen Risikoneigung angepasstes – optimiertes Portfolio gestalten. Das dürfte für jeden Anleger nachvollziehbar sein. Bei mehreren Wertpapieren wird die Sache komplexer. Der Anleger kann nun entscheiden, ob er bei gleichem Risiko eine höhere Rendite, bei gleicher Rendite ein geringeres Risiko oder eine Mischung daraus erzielen möchte. Die Effizienzkurve zeigt mir dabei, wie weit sich das Portfolio maximal optimieren lässt.

Branchen vor Ländern

In der Vergangenheit waren die Korrelationswerte zwischen den verschiedenen Branchen relativ stabil. Zwischen unterschiedlichen Ländern ist dieser Zusammenhang weniger zuverlässig. Im Zuge der Globalisierung laufen die einzelnen Aktienmärkte zudem immer stärker in die gleiche Richtung, so dass die Vorteile einer Länderdiversifikation abgenommen haben. Klarer Schluss daraus: Branchenportfolios diversifizieren besser als Länderportfolios (siehe Grafik DAX-Dow Jones). Chart Dax Health Care / Dax Chemical (geringe Korrelation) Chart DAX / Dow Jones (hohe Korrelation) Die Korrelation kann sich jedoch auch ändern, was der folgende Chart deutlich zeigt. So gab es Phasen, wo sich der Goldpreis im Gleichklang mit dem DAX entwickelte (positive Korrelation), aber auch Phasen, wo beide Anlagen negativ korrelierten.

Schwächen der Portfoliotheorie

Eine der größten Schwächen der Theorie besteht darin, dass alle Berechnungen auf Vergangenheitswerte (Renditen, Schwankungen, Korrelationen ect.) beruhen. In jeder Werbe-Fondsbroschüre finden Sie den Hinweis, dass Vergangenheitswerte nicht in die Zukunft projiziert werden können. Warum soll das ausgerechnet bei der Portfoliotheorie anders sein? Die Auswahl der aus der Anwendung dieser Theorie resultierenden Wertpapiere/Fonds lassen keine Schlüsse auf die Qualität der jeweiligen Anlage zu. Wenn bsw. ein Fonds als geeignet im Sinne der Theorie ausgeworfen wird, dann nur, weil die Hinzunahme dieses Fonds einen positiven Effekt für die Portfoliooptimierung bringt. So kann im Extremfall sogar ein schlecht gemanagter Fonds einen positiven Optimierungseffekt bringen, wenn er einem gut gemanagten Fonds mit gleichem Anlageschwerpunkt hinzugefügt wird. Für den Anleger ein Widerspruch – für das System jedoch logisch.


Das Optimierungstool muss vom Anwender (Banker/Berater) mit einer Produktauswahl (Favoritenliste), einer Mindest- bzw. Maximalgewichtung der Einzelanlage und ggf. auch mit einer eigenen Renditeerwartung auf Einzelanlageebene gefüttert werden. Somit unterliegt das Ergebnis immer auch der direkten Beeinflussung durch den Nutzer.

Irrwitzige Empfehlungen

Ich habe einmal den Test gemacht und ein Portfoliooptimierungstool mit drei Wertpapieren gefüttert. Einem weltweit investierenden Aktienfonds, einem Goldminenfonds und einem Rentenfonds mit langlaufenden Rentenpapieren. Wir wissen, dass die globalen Aktienmärkte in den letzten Jahren gut liefen – nun aber Schwäche und der Goldpreis sich im Abwärtstrend befand und jetzt erste Signale einer neuen Aufwärtsbewegung aufzeigen. Die Rentenmärkte bilden eine Blase und deren Renditen liegen nahe „Null“.


Danach habe ich das Tool ohne weitere Vorgaben rechnen und optimieren lassen. Bei einer voreingestellten geringen Risikobereitschaft des konservativen Testkunden von 5% (Vola) lautete die Empfehlung: 18% Aktien, 2% Goldminen und 80% Rentenfonds bei einer Renditeerwartung von 3,4% p.a.. Eine sehr gefährliche Empfehlung, die ohne Einschaltung des Menschenverstandes zu gravierenden Verlusten führen kann.


Die Erklärung liegt darin, dass das Tool Vergangenheitswerte für die Empfehlung herangezogen hat. Danach lagen für den Rentenfonds die erwartete Vola bei 4,6% bei einer Renditeerwartung von 2,9% p.a., für den Goldminenfonds 32,5% Vola und 6,7% Rendite und für den Aktienfonds 11,7% Vola und 5,9% Rendite. Woher die vom System erwartete Rendite des Rentenfonds kommen soll, bleibt ein Rätsel.


Zugegeben. Kein seriöser Berater würde versuchen, seinem Kunden ein Portfolio aus diesen drei Werten zu empfehlen. Dieser Versuch zeigt jedoch ganz deutlich die Grenzen der Portfoliotheorie.

Anwendung der Portfoliotheorie gesetzlich „vorgeschrieben“

Fast jede Bank nutzt heutzutage die Portfoliotheorie (teils in abgewandelter oder vereinfachter Form) für die Kundenberatung. Der Berater füttert das Tool zuerst mit den Kundendaten wie Kenntnisse/Erfahrungen, Ziele/Wünsche, Risikobereitschaft und ggf. mit der Verlusttoleranz (Value at Risk). Aus diesen Daten errechnet nun das Tool eine Wert und ordnet den Kunden in eine Risikoklasse ein. Hinter jeder Risikoklasse steht i.d.R. ein Musterportfolio aus Renten, Aktien, Rohstoffen und sonstige Anlageprodukten (Favoritenliste) der jeweiligen Bank.


Wenn die Bank bzw. der Berater in den Optimierungsprozess nicht eingreifen, wird das Tool im Zweifelsfall einen Rentenfonds mit langlaufenden Papieren einem Kurzläuferfonds vorziehen, da hier das Chancen-Risiko-Profil in der Vergangenheit besser war als bei den Kurzläufern. Wohlbemerkt - in der Vergangenheit…


Der Nutzer kann u.U. Einfluss auf die Renditeerwartung nehmen, indem er sie herauf- oder heruntersetzt. Auf die erwartete Volatilität hingegen hat er systembedingt keinen Einfluss.


Der Gesetzgeber fordert jedoch (und das zu Recht) vom Berater den Nachweis, dass er den Kunden anlage- und anlegergerecht beraten hat. Die Methodik muss nachgewiesen und protokolliert werden. Ein Verweis auf die Verwendung einer allgemein anerkannten Portfoliotheorie und die Nutzung einer darauf basierenden Beratungssoftware ist hier natürlich bei der geforderten umfangreichen Dokumentationspflicht, aus Kosten-Nutzen-Aspekten und wegen der Beratungshaftung ein probates Mittel.


Die Erstellung einer individuellen Anlagestrategie auf Grundlage von (von der „Norm“) abweichenden Ansichten, Meinungen, Risikoeinschätzungen und Zukunftserwartungen des Kunden/Beraters ist aufwandstechnisch bei einem Durchschnittskunden kaum noch zu bewerkstelligen und von der Bank meist auch nicht gewollt. Die Anlageempfehlungen der einzelnen Berater und gar Banken nähern sich (abgesehen von der konkreten bankabhängigen Produktauswahl) immer näher an.


Im Gegensatz zu Zeiten „normaler“ Marktzinsen, haben alle Berater das Problem, dem Portfolio eine sinnvolle risikoarme Anlagekomponente hinzuzufügen. Früher war die Zinshöhe ein Ausdruck des Risikos der Anleihe (Bonität des Schuldners). Heute sprechen wir von einem zinslosen Risiko.

Zusammenfassung

Markowitz Verdienst besteht vor allem darin, den Beweis dafür geführt zu haben, dass sich durch Streuung der Investments in einem Portfolio bei gegebenen Renditeerwartungen das Risiko soweit senken lässt, dass es geringer als das Risiko der einzelnen Anlagen ausfällt. Aber in Zeiten wie diesen, in denen politische Entscheidungen von Regierungen und Staatengemeinschaften sowie die Maßnahmen von Notenbanken die Kapitalmärkte und die konjunkturelle Entwicklung massiv beeinflussen, wird die Risikosteuerung durch Diversifizierung zur Tortur und reinen Glückssache.


Etliche Staatsanleihen bieten inzwischen renditefreies Risiko. Die Bonität von öffentlichen Schuldnern schwindet. Der Begriff „Risiko“ muss heute neu definiert werden. Selten war das Chancen-Risiko-Verhältnis von Aktien im Vergleich zu Anleihen so deutlich attraktiver als jetzt. Bei der Bestimmung der Chance-Risiko-Verhältnisse einer komplexen Vermögensstruktur stoßen Privatanleger schnell an ihre Grenzen.


Der Erfolg der Portfoliotheorie basierte bis in die 90er Jahre darauf, dass die Märkte damals effizienter waren und deutlich weniger korrelierten als in der heutigen globalisierten Welt. Die damaligen Rechenkapazitäten waren so bescheiden, dass nur wenige Marktakteure überhaupt in der Lage waren, diese Theorie für ihre Portfoliogestaltung anzuwenden. Heute sind leistungsfähige Rechner Massenware und die Portfoliotheorie somit für jeden Kleinanleger anwendbar. Damit verschwand auch der große Vorteil dieser Theorie. Wenn die Masse der Kleinanleger nach der gleichen Methode ihr Geld anlegt, so haben es einzelne leicht, diesen Gleichklang für sich auszunutzen.


„Markowitz funktioniert hervorragend, solange Sie der Einzige sind, der Markowitz anwendet“

, sagte einst der Finanzexperte Avinash Persaud (Mitglied der UN-Expertenkommission zur Reform des internationalen Geld- und Finanzsystems und Vorstand der Beratungsfirma Intelligence Capital).


Die Finanzkrise hat sehr deutlich die Grenzen der Portfoliotheorie aufgezeigt, als plötzlich alle Asset-Klassen gemeinschaftlich in den Keller sausten und sich vermeintlich sichere Anlagen mit Top-Rating in Luft auflösten (Subprime-Krise, Lehman Brothers…). Korrelationen ändern sich – oft ohne Vorwarnung und alte ökonomische Zusammenhänge scheinen heute außer Kraft gesetzt zu sein.


"Es sind ja nicht die Dinge, die du als gefährlich erkannt hast, die dich umbringen, sondern diejenigen, die du für sicher hältst"

Dennoch hat die moderne Portfoliotheorie (verfeinert durch Black und Littermann) m.E. immer noch seine Daseinsberechtigung um eine diversifizierte Asset Allokation vorzunehmen – wenn auch mit schwindender Bedeutung. Das Modell ist für die heutige, schnelllebige und unberechenbare Zeit zu träge.

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