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Bad Boy – Good Boy? Provisionsbasierte Beratung oder Honorarberatung - Der Versuch eines Vergleiches

(veröffentlicht auf cashkurs.com am 27.02.2015)


Jeder Kunde, der den Rat eines Finanzdienstleisters sucht, sollte wissen, wie viel er wann an wen für welche Dienstleistung zu zahlen hat. Das klingt logisch und einfach. Ist es in der Praxis aber nicht. Oder doch?


Über Banken, Versicherungen und andere Finanzdienstleister wurde und wird viel geredet. Meist dann, wenn sich wieder mal ein Kunde falsch beraten fühlt und sich die Medien dieser Story annehmen. Der Aufschrei ist groß. Schnell wird das herkömmliche Vertriebssystem verteufelt. Politiker und Verbraucherschützer fordern dann sehr laut, dass die honorarbasierte Beratung mehr Unterstützung erfahren muss, da diese Form der Beratung das Allheilmittel sei. Ist das so?


Was ist Beratung? Was ist Verkauf?

Was erwartet ein Kunde von einem Finanzberater? Meist eine Beratung. In den seltensten Fällen die Vermittlung eines konkreten Finanzproduktes. Dafür gibt es gute und preiswerte Internetangebote. Somit stellt die Beratung die Hauptdienstleistung und die Produktvermittlung die Nebendienstleistung dar. Ein Kundenproblem kann nicht immer nur durch ein Finanzprodukt gelöst werden. Finanzielle Bildung, Hilfe zur Selbsthilfe, das Aufdecken von falschen Verhaltensmustern und Ansichten, aber auch das Abraten von einer vom Kunden geplanten finanziellen Entscheidung sind Beratungsdienstleistungen, die vom Kunden nicht immer als geltwerte Dienstleistung empfunden werden.


Wovon lebt der Berater?

Bei der klassischen Beratung sind es die Margen im Zinsbereich und die Provisionen im Produktvertrieb. Kein Verkauf – keine Einkünfte. Egal, wie qualifiziert der Berater ist und wie gut oder schlecht er berät. Vergütet wird hier also ausschließlich die Vertriebsleistung. Für eine gute Beratung erhält der Banker oder Finanzberater jedoch keinen Cent.

In der echten Honorarberatung hingegen wird die Beratungs-, Betreuungs- bzw. Serviceleistung vergütet. Die Produktvermittlung erfolgt zu Nettokonditionen. Honorarprodukte beinhalten also keinerlei Abschluss- oder Folgeprovisionen, die an den Berater fließen. Sollte ein provisionsbehaftetes Produkt für einen Kunden einmal besser sein, so muss der Honorarberater die Provisionen unverzüglich und ungemindert an seinen Kunden weiterleiten.


Der Banker - Diener zweier Herren

In der provisionsbasierten Beratung sind die Mitarbeiter der Banken, Versicherungen und Finanzvertriebe „Diener zweier Herren“. Zum einen müssen sie den stetig steigenden gesetzlichen Anforderungen nach anleger- und anlagegerechter Beratung und den Dokumentations- und Aufklärungspflichten entsprechen. Zum anderen aber auch den Vertriebsvorgaben des Arbeitgebers nachkommen. Denn letztendlich zählt nur das Vertriebsergebnis, wenn es um die Karrierechancen und die Fortführung des Arbeitsverhältnisses geht. Beim selbständigen Finanzdienstleister hängt vom Vertriebsergebnis das eigene finanzielle Überleben ab. Der „Berater“ befindet sich also permanent in einem Interessenskonflikt, der in diesem System nicht wirklich gelöst werden kann.


Ist der Honorarberater per se der bessere Berater?

Jain! Es gibt auch in Banken und Finanzvertrieben sehr gute Berater, die ihren Weg gefunden haben, trotz des steigenden Verkaufsdrucks ihre Kunden solide und fachkundig zu beraten. Ihnen wird es jedoch nicht immer leicht gemacht und sie müssen eine starke Persönlichkeit sein, um sich den Verlockungen nach dem schnellen Euro erfolgreich zu erwehren.

Auch im Lager der Honorarberater finden sich Mitstreiter, die Mangels Qualifikation und Dienstleistungsbewusstsein unzureichende Leistungen erbringen oder die durch Mischmodelle (Honorare und Provisionen) die Honorarberatung missbräuchlich zur Einkommensoptimierung nutzen.


Mythen, Aussagen, Argumente


Eine Honorarberatung kann ich mir nicht leisten!

Diese Behauptung negiert die Tatsache, dass sich Kunden in der Vergangenheit wohl Honorare (getarnt als Provisionen) leisten konnten. Sie wissen es nur (noch) nicht.


Beispiel:

Der bekannte Mischfonds Flossbach von Storch Multiple Opportunities kostet dem Anleger regulär einmalig 5% Ausgabeaufschlag sowie ca. 0,6% jährliche Bestandspflegeprovision.

Die Grafik zeigt, wie sich diese reinen Vertriebskosten über die Laufzeit aufsummieren können. Allein mit dem Ausgabeaufschlag in Höhe von 2.500 EUR hat der Anleger bei einem Stundensatz von 150 EUR eine Beratungszeit von über 16 Stunden bezahlt. In der Praxis dauert eine gute und ausführliche Anlageberatung maximal zwei Stunden. Ein extrem sportliches Honorar.

Gerne wird argumentiert, dass ja mit der Provision auch die zukünftige Beratung und Betreuung bezahlt wird. Der Anleger zahlt also im Voraus für die nächsten Jahre die Beratungskosten? Im Rechenbeispiel flossen anfänglich zusätzliche 260,- EUR an Bestandsprovisionen pro Jahr an den Berater. Aufgrund der guten Kursentwicklung des Fonds in den Jahren darauf, stiegen diese auf über 550,- EUR an!

Die meisten Anleger wissen jedoch nicht, dass diese Provisionen zusätzlich zum Ausgabeaufschlag von ihm bezahlt werden (müssen).



Auf fast 5.400 EUR summierte sich in diesem Rechenbeispiel die Höhe der geflossenen Provisionen. Würde der Anleger in dieser Zeit auch noch Umschichtungen vornehmen, kämen zusätzliche Ausgabeaufschläge hinzu.

Sicherlich stimmt hier jeder Leser zu: Kein Anleger benötigt für einen Anlagebetrag von 50.000 EUR 36 Beratungsstunden in 7 Jahren.

Bei einer Fondsgebundenen Rentenversicherung mit einer Laufzeit von 30 Jahren und einem Beitrag von monatlich 200,- EUR kommen rund 3.240 EUR an Provisionen zusammen. Bezahlte Beratungszeit in Höhe von fast 22 Stunden!

Welcher Kunde hat diese von ihm bezahlte Beratungszeit jemals voll in Anspruch genommen bzw. vom Berater angeboten bekommen?

Diese Rechnung ließe sich auf jeden beliebigen Anlage- bzw. Sparbetrag herunterbrechen. Über den folgenden Link können Sie innerhalb von Sekunden berechnen, welche Provisionen im Regelfall für welche Finanzprodukte bezahlt werden: https://applications.zeigewas.de/vdh/vdhapp/facebook/calc


Kein Kunde würde 150,- EUR Beratungshonorar für eine Privathaftpflichtversicherungsberatung zahlen.

Richtig! Es gibt jedoch auch keinen Versicherer, der 150 EUR Provision an einen Vermittler für den Verkauf einer Privathaftpflichtversicherung zahlt. Oft muss daher noch ein provisionsträchtiges Produkt als Quersubventionierung her, damit sich das Geschäft für den Vermittler lohnt.


Kunden mit geringem Einkommen werden von der Honorarberatung ausgeschlossen

In Deutschland versucht der Staat durch verschiedene Maßnahmen wie das Vermögensbildungsgesetz, Alterseinkünftegesetz, Riester, Rürup etc. die Bürger zur

Vermögensbildung zu motivieren. Die Vermögensbildung ist ein klar definiertes

Ziel des Staates, welches durch die materielle Förderung den Verbraucher zum

Sparen animieren soll. Wie soll jedoch der Anleger mit geringen Finanzkenntnissen und geringen oder durchschnittlichen Einkommen in den Genuss einer Beratung kommen, wenn er diese nicht bezahlen kann oder will?

Diese Personengruppe kann nur durch die Provisionsberatung zur Vermögensbildung gebracht werden. Die Beratung selbst ist kostenlos. Dadurch

fällt die Hemmschwelle des Kunden. Ferner kann der Kunde mehrere Provisionsberater in Anspruch nehmen, ohne diese bezahlen zu müssen.

Dem Staat hilft es nicht, wenn die Verbraucher beraten werden, aber keine

Vermögensbildung betreiben. In dieser Situation hilft das Abschlussinteresse

des Provisionsvermittlers enorm, den Kunden zum Erwerb eines Finanzproduktes zu bewegen. So der Grundtenor der etablierten Banken und Versicherungen.

Über 93 Mio. Renten- und Lebensversicherungen soll es in Deutschland geben – bei 81 Mio. Einwohnern. Über 84 Mrd. Euro flossen 2013 laut GDV in diese Verträge. Statistiken belegen, dass im Schnitt jede zweite Lebensversicherung vorzeitig gekündigt wird – und das i.d.R. mit hohen Verlusten. Die Kündigungswilligen stammen vor allem aus dem Teil der Bevölkerung, die sich angeblich nur eine provisionsbasierte Beratung leisten können (oder müssen). Laut einer Umfrage von Focus Money wollen 69% der Bevölkerung heute keine Police neu abschließen. Woran liegt das?


Andere Länder andere (bessere?) Sitten

In vielen europäischen Ländern gilt bereits ein Provisionsverbot. In Großbritannien gilt seit 01.01.2013 ein generelles Provisionsverbot für alle kapitalbildenden Produkte. In den Niederlanden wird bereits seit 2009 keine Provision für Packaged Retail Investment Products (kurz: PRIP-Produkte) gezahlt. Seit 2008 findet in Dänemark und Finnland nur noch Honorarberatung statt. In Schweden und Norwegen gilt zwar kein gesetzliches Provisionsverbot; dafür geben die Anbieter nur noch Netto-Tarife aus.

Konsequenz? Die Anzahl der Vermittler und Produkte hat sich stark reduziert. Nur Qualität setzte sich durch. Zu einer Verschlechterung der Altersvorsorgesituation soll es laut Studien dadurch nicht gekommen sein.


Kunden wollen kein Honorar zahlen?

Laut einer Umfrage der Sparda-Bank (Altersvorsorgereport 2014) waren nur 19% der Befragten bereit, überhaupt eine Honorarberatung für sich in Anspruch zu nehmen. Die Zahlungsbereitschaft dafür lag bei durchschnittlich 39,- EUR pro Stunde.

Zitat Sparda-Bank: „Aufgrund der geringen Bereitschaft würden bei Einführung einer umfassenden Honorarberatung große Teile der Bevölkerung von der Altersvorsorge ausgeschlossen, da Banken, Versicherungen und Makler eine nicht kostendeckende Beratung nicht anbieten würden.“

Diese Aussage irritiert mich, unterstellt sie doch, dass der Kunde bereit ist, der Bank über Provisionen höhere Vergütungen zu zahlen, die eine kostendeckende „Beratung“ ermöglichen. Oder ist es gar die offizielle Bestätigung dafür, dass Banken ihre Kunden über die tatsächlich anfallenden Kosten nicht vollumfänglich aufklären (wollen)? Nach dem Motto: „Was der Kunde nicht weiß …“.


So kalkulieren Banken

Maßstab für die Bewertung von Mitarbeiterleistungen sind neben der Abschlussquote die Erträge pro Abschluss. Mindestens jedes fünfte Kundengespräch sollte zu einem Produktverkauf führen. Die Erträge daraus müssen so hoch sein, dass nicht nur die Kosten für die erfolglosen Gespräche kompensiert werden können, sondern auch die Kosten für den nicht vertrieblichen Bereich und für die Sachkosten. Je nach Funktion und Aufgabengebietes des Mitarbeiters kommen da schnell das 2-3-fache des eigenen Bruttogehaltes als Zielvorgabe zusammen.


Banken und Vertriebe wettern:

Kein Backwaren- oder Autoverkäufer muss dem Käufer die Höhe seiner Provisionen offenlegen!

Doppelt richtig! Backwaren- und Autoverkäufer sind ganz offiziell Verkäufer und treten auch so am Markt auf. Ich kenne keinen einzigen Backwaren- und Autoberater. Kein Kunde erwartet von ihnen, dass Sie einem das bestmögliche Produkt – im Zweifel auch das der Konkurrenz – empfehlen und ihn auf seine konkreten Bedürfnisse hin befragen und darauf ausgerichtet über Vor- und Nachteile, Risiko und Chancen der Produkte aufklären. Schon unmittelbar nach dem Erwerb des Produktes hat der Käufer die Möglichkeit, die Qualität des Produktes zu prüfen. Bei Mängeln gibt es die Möglichkeit zur Reklamation, der Reparatur, zum Wandel oder Ersatz.

Die Qualität der Beratung und des Finanzproduktes hingegen zeigt sich oft erst nach Jahren. Einen entstanden Schaden zu heilen ist schwierig und bedarf dann meist juristische Hilfe.


Zusammenfassung

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch! Provisionen als auch Honorare sind legitime Formen der Bezahlung von Dienstleistungen. Allein dadurch auf deren Qualität zu schließen wäre falsch. Nicht alle Banker schielen nur auf die Provision. Nicht alle Honorarberater kosten 150 EUR die Stunde.

Wie erwähnt, hat m.E. jedoch jeder Kunde das Recht und den Anspruch darauf, vor dem Kauf eines Finanzproduktes zu erfahren, wann er welchen Betrag an wen für welche Dienstleistung zu zahlen hat.

Für viele Kunden ist es ein emotionaler Unterschied, ob sie ein Honorar bezahlen sollen oder ihnen eine Provision abgezogen wird, die mehr oder weniger offen im Produkt versteckt ist. 5% Ausgabeaufschlag und 0.5% Bestandspflegeprovision wiegen für viele Kunden gefühlt weniger als ein Honorar von 5.400 EUR.


Letztendlich entscheidet der Verbraucher, welche Vergütungsform sich in der Zukunft durchsetzen wird.


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