Chance = Risiko * (-1) "Immer wenn die Kurse fallen, dann gefällt mir das. Denn ich kaufe gerne günstig."
- Andreas Borsch
- 11. Sept.
- 5 Min. Lesezeit
Der Satz „Immer wenn die Kurse fallen, dann gefällt mir das. Denn ich kaufe gerne günstig.“ ist ein bekanntes Börsenzitat, das oft Warren Buffett zugeschrieben wird. Chancen und Risiken sind die entgegengesetzten Seiten derselben Medaille. Nur wer damit richtig umgehen kann, verhindert, bei Anlageentscheidungen existenzielle Fehler zu begehen.
(veröffentlicht auf cashkurs.com am 22.08.2025)

Ich wünsche jedem Einsteiger zuerst eine Baisse
Was sich aus dem Mund eines Vermögensberaters recht makaber anhört, hat einen psychologischen Hintergrund. Die Gier ist der größte Feind des Anlegers. Sie macht blind und hindert ihn daran, rationale Entscheidungen zu fällen. Jeder von Ihnen kennt jemanden, oder hat gar selbst die Erfahrung gemacht, dass einem eine Anlageentscheidung schwerfällt – insbesondere dann, wenn in diesem Moment die Kurse gerade steigen. Eine Verkaufsentscheidung zu fällen, ist genauso schwierig. Hier kommen wieder die zwei menschlichen, aber hinderlichen Eigenschaften Angst und Gier ins Spiel. Die Angst, die Kurse könnten nach dem Kauf fallen, und die Gier, die Kurse könnten nach dem Verkauf weiter steigen.
Existenzielle Fehler an der Börse vermeiden
Buffet sagte auch dazu einmal: „Börsengeld ist Schmerzensgeld. Erst kommt der Schmerz, dann das Geld.“
Die meisten Menschen neigen dazu, Erfahrungen – insbesondere schlechte Erfahrungen – selbst erleben zu müssen, bevor sie ihnen tatsächlich bewusst werden. Erst wenn ein Einsteiger die Risiken der Aktienmärkte erkannt hat, kann er sie für sich richtig bewerten und sein Verhalten bzw. seine Strategie entsprechend anpassen.
Was kann man dagegen tun?
Seien Sie sich zuerst bewusst, dass fallende Kurse immer auch Chancen sind. Welcher Anleger möchte schon teuer kaufen? Also handeln Sie rationell und nicht emotional! Formulieren Sie sich ein Ziel, legen Sie sich ein Risikobudget fest und erarbeiten Sie dann eine Strategie, an der Sie festhalten. Nach jedem Hoch kommt ein Tief, kommt ein Hoch!
Im Alter sorgenfrei leben, ist ein Wunsch – jedoch kein Ziel!
Ziele müssen SMART sein. SMART steht für Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch und Terminiert. Ziele sollten also klar, konkret und eindeutig formuliert sein, messbare Kriterien enthalten, motivierend sein, erreichbar sein und innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens liegen.
„Im Alter sorgenfrei leben“ ist also kein Ziel, da weder zeitlich noch hinsichtlich des benötigten Betrags definiert!
Risiken an der Börse: So gehen Sie richtig damit um
Risiko
Unter Risiko versteht jeder Anleger etwas anderes. Gerne frage ich in Mandantengesprächen nach deren Fahrstil. Insbesondere nach der maximalen Geschwindigkeit auf einer freien und abgesperrten Strecke. Da höre ich die unterschiedlichsten Antworten. Einige machen es vom Auto und den Personen abhängig, die mit im Fahrzeug sitzen. Das Grundrisiko ist jedoch in allen Fällen gleich. Warum fährt der eine maximal 130 km/h und der andere 180 km/h? Es gibt Fahrer, die 250 km/h bei nahezu Ruhepuls fahren. Stichwort Formel 1. Die sehen erst bei einem Tempo jenseits von 300 km/h ein gesteigertes Risiko. Warum? Weil sie Profis sind und gelernt haben, mit Risiken bewusst umzugehen. Dennoch glauben viele – übertragen auf die Börse – mit den Profis mithalten zu können.
Die Banken machen es sich leicht
Wenn Banken bei ihren Kunden die Risikobereitschaft abfragen, dürfen diese sich in bis zu 7 definierte Risikoklassen (RK) einordnen. RK1 ist der klassische Termingeldinvestor. RK7 der Spekulant, der auf „Schweinebäuche und Sojabohnen setzt“. Alle Risikoklassen werden mit einem Zweizeiler erläutert.
Der unwissende Anleger stuft sich – aus Mangel an näherer Kenntnis – oft in der Mitte (also RK3) ein, ohne zu wissen, was das eigentlich bedeutet.
Value at Risk ist aussagekräftiger
Die Frage nach dem maximalen Verlust pro Jahr ist viel aussagekräftiger, aber auch sehr anspruchsvoll. Um wie viel Prozent darf Ihr eingesetztes Kapital nach einem Jahr gefallen sein, damit Sie noch ruhig schlafen können, oder gar bereit wären, dieses Kursniveau zum Nachkauf zu nutzen? 10 %? Oder gar 20 %?
Prozent oder absolut – die Überforderung des Anlegers
Je niedriger die Anlagesumme, desto höher ist oft die vom Mandanten akzeptierte Verlusttragfähigkeit. So sprechen wir bei einem Anlagebetrag von 10.000 EUR bei einem Verlustrisiko von 10 % über 1.000 EUR. Für viele Anleger wäre das verschmerzbar, da sie das in kurzer Zeit über ihren Einkommensüberschuss ausgleichen könnten. Bei einem Anlagebetrag von 100.000 EUR wäre es bereits 10.000 EUR. Bei einem Vermögen von 500.000 EUR reden wir über Summen, die einem Jahreseinkommen entsprechen können!
Der S&P 500 verlor im März dieses Jahres innerhalb von nur zwei Wochen fast 20 % an Wert! Der breiter gefasste MSCI World immerhin noch 16 %!
Sollte ein Anleger mit hohem Vermögen also ein geringeres Risiko eingehen als ein Kleinanleger?
Meine Antwort – Nein!
Die Risikotoleranz muss zum Anleger passen und darf nicht dem Produkt oder der Anlagestrategie angepasst werden!
Risiken lassen sich durch Anlagedauer, eine klare Strategie und eine konsequente Liquiditätssteuerung minimieren – jedoch nicht verhindern!
Umgang mit Risiken an der Börse: Ein Beispiel
Rückblick auf eine von mir am 04.01.2021 auf Cashkurs vorgestellte Strategie
Aus der Praxis für die Praxis - simple Anlagestrategie mit Fonds - Cashkurs.com | Unabhängige News aus Wirtschaft, Finanzen und Politik

Kurze Zusammenfassung der Strategie
Fonds: BGF World Gold
Anlagebetrag 30.000 EUR
„Strategie 1“ Buy and Hold am 05.11.2013
„Strategie 2“ Anlage über Sparplan a 200 EUR pro Monat
Verkauf 20 % vom Depotwert, wenn DIX (200) über 20
Anlage 20 % von Restliquidität, wenn DIX (200) unter -20
(DIX - Der Disparitätsindex ist ein technischer Indikator, der die prozentuale Differenz zwischen dem aktuellen Kurs eines Wertpapiers und seinem gleitenden Durchschnitt misst.)

Die Strategie zeigt einen konsequenten Investmentprozess, der nicht nur seit meinem Artikel 2021 in der Rückwärtsbetrachtung funktionierte, sondern auch bis heute. Ziel war es nicht, eine Outperformance zu erwirtschaften, sondern antizyklisch zu handeln.
Der Chart zeigt, dass bei der „Strategie 2“ in Schwächephasen, die teils über 3 Jahre andauerten, kontinuierlich investiert und in Aufwärtsphasen stringent wieder Liquidität aufgebaut wurde. Zu keinem Zeitpunkt waren 100 % der vorgesehenen Anlagesumme im Fonds investiert. Die Volatilität konnte deutlich reduziert, Verlustphasen jedoch nicht vermieden werden.
Wichtiger Hinweis!
Zur Demonstration der Strategie habe ich damals bewusst diesen Fonds gewählt, da er eine sehr hohe Schwankungsbreite besaß und auch heute noch aufweist. Diese Strategie funktioniert umso besser, je größer die Schwankungsintensität des Investments ist!
Hier sei der Zusatz angebracht, dass es sich bei diesem exemplarischen Beispiel natürlich um keine Anlageempfehlung handelt und die Strategie keine Garantie auf Erfolg bei allen anderen Investments haben muss.
"Was heißt das konkret für mich!?"
Risiko ist eine Frage der Definition.
Einfacher ist es, von einer Gefahr zu sprechen. Eine Gefahr ist eine potenzielle Quelle für Schaden, während ein Risiko die Wahrscheinlichkeit betrifft, dass eine Gefahr tatsächlich zu einem Schaden führt.
So ist Autofahren nur eine latente Gefahr für Sie und Ihre Umwelt. Erst wenn Sie das Auto bewegen, können Risiken entstehen. Über den Zustand und die Ausstattung des Fahrzeuges sowie mit Ihrer Fahrweise können Sie das Risiko steuern. Gänzlich vermeiden können Sie das Risiko bei einer Benutzung jedoch nicht, da Sie sich in einem von Ihnen nicht kalkulierbaren und vorhersehbaren Umfeld (Straßenverkehr) bewegen. Da nützen auch die besten Assistenzsysteme nichts.
So sind auch Kursschwankungen „lediglich“ eine potenzielle Gefahr für Vermögensverluste. Über die Anlagestrategie können Sie das tatsächliche Risiko weitestgehend steuern, aber nicht gänzlich ausschließen.
Das Wichtigste an jeder Anlagestrategie ist die Liquiditätssteuerung.
Jede noch so ausgefeilte Anlagestrategie muss regelmäßig scheitern, wenn Sie aus Mangel an Liquidität zu einer Unzeit an Ihr Depot müssen! Abgesehen davon, können Sie auch keine sich daraus ergebenden Chancen nutzen.
All-in zu gehen, ist also kein guter Investmentansatz. Man muss nicht nur den Mut haben, in schwankungsreiche Märkte zu investieren, sondern auch den Mut, sich mit einem gut gefüllten Portemonnaie an die Seitenlinie zu stellen, um auf die nächste Chance zu warten. Diese kommt ganz bestimmt! Manchmal früher, als man denkt! Doch dann bedarf es wieder Mut! Oder Strategie! Oder beides!
Fortsetzung folgt
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