„Vorwärts immer – rückwärts nimmer" Was hat der berühmte Spruch von Erich Honecker 1989 mit Geldanlagen zu tun?Vieles und rein gar nichts!
- Andreas Borsch

- 18. Aug.
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Aug.
Es gibt viele Strategien, um Geld an den Börsen anzulegen. Welche ist die beste? Selbstverständlich die des erfolgreichsten Anlegers! Wer ist das? Der, der bis gestern den höchsten Anlageerfolg erzielt hat. Doch was interessiert mich heute der Erfolg von gestern? Gedankengänge und Anregungen – interessant, erhellend und richtig? Kommt drauf an!
(veröffentlicht auf cashkurs.com am 15.08.2025)

Googelt man nach „beste Anlagestrategie“, findet man viele Ergebnisse. „Die Geheimtipps der Profis“, „Investieren wie die Profis“, „So legen Sie Ihr Geld optimal an“, „Die erfolgreichste Anlagestrategie der Welt“!
Gibt es die perfekte Strategie an der Börse?
Was haben die ganzen Sprüche gemeinsam?
Es handelt sich stets um eine Rückwärtsbetrachtung. Also müsste man richtigerweise fragen: „Welche Anlagestrategie war bisher die erfolgreichste?“
Welche Strategien gibt es?
Es gibt die Buy-&-Hold-Strategie, Index-Strategie, Size-Strategie, Growth-Strategie, Momentum-Strategie, Value-Strategie, Long-Short-Strategie, Dividenden-Strategie, antizyklische Anlagestrategie, prozyklische Anlagestrategie… Sicherlich gibt es noch mehr davon.
Was haben diese Strategien gemeinsam? Na klar! Auch sie basieren auf Rückwärtsbetrachtungen. Aus dem Versuch heraus, aus Entwicklungen der Vergangenheit irgendwelche Rückschlüsse auf die Entwicklungen in der Zukunft ziehen zu können. Der Mensch braucht Orientierung und Halt.
In den meisten Medien wird derjenige als Börsenguru bezeichnet und gefeiert, der heute mit überzeugenden Worten erklären kann, warum gestern was passiert ist.
Sie kennen das „Immer-schon-so-Phänomen“.
Vertraute Pfade befriedigen auch das Grundbedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle. Das Neue und Unbekannte hingegen trägt immer auch etwas Unkalkulierbares in sich, bedroht das Sicherheitsgefühl und erfordert eine aktive Bewältigung. Oftmals gelingt es nicht, dieses positiv mit einem Gefühl von Herausforderung zu verbinden, sondern es geht mit einem Gefühl von Bedrohung und Verlust einher.
Doch bevor wir uns mit Strategien beschäftigen, sollten wir uns mit dem größten Gegner des Anlegers auseinandersetzen. Der Verhaltenspsychologie.
Der richtige und erfolgreiche Umgang mit Geld hat aus meiner Sicht zu über 80 % etwas mit Psychologie zu tun. Nur der Rest ist Wissen, welches im Internet zur Genüge zur Verfügung steht. Was Anleger benötigen, ist Kompetenz. Also die Befähigung dazu, aus Informationen (Wissen) Bildung zu generieren und im nächsten Schritt individuelle Entscheidungen zu treffen.
Denkfehler von Anlegern anhand eines Beispiels
Das Thema erneuerbare Energien tauchte in den Medien bereits in den letzten 20 Jahren auf. Die Welt verbessern mit grüner Energie und dabei Geld verdienen, das klang doch gut.

Das erkannte auch die Investmentbranche und legte 2007 den ersten ETF für erneuerbare Energie auf. Nach einem kurzen Hype war Ebbe im Stausee, Flaute bei den Windmühlen. Also irgendwie auch zappenduster für die Solarbranche. Aber was hat Anleger zu einem Investment getrieben?
Herdentrieb
Der Herdentrieb treibt Anleger in Wertpapiere und Assets, die aktuell von allen gekauft werden und denen eine vermeintlich „rosige Zukunft“ bevorsteht. Leider führt dieser Fehler immer wieder zu Blasen und unschönen Verlusten im Portfolio. Wer kennt ihn nicht, den Hype um den Neuen Markt? Nun ist er alt – quasi gestorben.
Gier und Angst
Bei Anlageentscheidungen sind viele Anleger von Angst und Gier getrieben. Sie kaufen genau das, was gerade alle kaufen, weil sie Angst haben, etwas zu verpassen. Sie sind gierig und wollen auch einen Teil der fantastischen Renditen haben, die scheinbar alle anderen gerade einfahren. Dreht sich der Trend jedoch, wirkt sich das entsprechend andersherum aus - und endet nicht selten in Panikverkäufen und großen Verlusten.
Rezenzeffekt
Dieser Effekt beschreibt die menschliche Tendenz, dass Anleger jüngste Entwicklungen übergewichten und annehmen, ähnliche Kursentwicklungen würden mit überhöhter Wahrscheinlichkeit erneut eintreten.
Anleger neigen also dazu, eine gerade stattgefundene Kursbewegung in die Zukunft fortzuschreiben.
iShares Global Clean Energy Transition (2007–2020)

Bis zu 75 % verloren die Anleger, die 2007 auf den grünen Zug aufgesprungen sind. Und das, obwohl doch die Statistik jedes Jahr Zuwächse bei der Produktion von grüner Energie präsentierte.
Doch das sind bei Weitem nicht die einzigen Denkfehler, die Anleger an der Börse machen.
Diese großen Denkfehler machen Anleger außerdem an der Börse
Sie kaufen eine Aktie für 100 €. Kurz darauf fällt sie um 50 % auf 50 €. Doch Sie sind sich sicher: „Die kommt wieder, schließlich stand sie ja schon mal bei 100 €. Ich verkaufe nicht und halte die Position, bis ich meinen Einstandskurs wieder drin hab.“
Dabei gilt eine einfache Regel: Wenn Sie die besagte Aktie heute nicht kaufen würden, warum möchten Sie sie dann behalten? Eine Aktie zu behalten, ist letztlich wie eine Kaufentscheidung zu bewerten. Sind Sie jedoch positiv gestimmt, dann reicht Halten nicht aus. Dann sollten Sie eventuell nachkaufen!
Prozentrechnung – Die Herausforderung für die meisten Anleger
Ich stelle immer wieder mit einer einfachen Aufgabe sogar gestandene Lehrer vor eine Herausforderung.
Eine gekaufte Aktie fällt um 20 %. Um wie viel Prozent muss sie wieder steigen, damit ich +/- Null bin?
20 % ist definitiv die falsche Antwort!
Es sind 25 %! Bei einem Kursverlust von 50 % wären es ganze 100 % - bei 90 % Verlust gar stolze 1.000 %! Da kommen wir schnell in den Bereich der Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Rückschaufehler
„Das war doch klar vorhersehbar, oder?“ Im Nachhinein ergaben bei entsprechender Argumentation alle Kursbewegungen einen Sinn und hätten doch vorhersehbar sein müssen. Die Schulter-Kopf-Schulter-Formation hätte man doch erkennen können? Die Divergenzen zwischen der Kursentwicklung und dem Indikator waren doch offensichtlich! Der steigende Volatilitätsindex hat doch eindeutig vor der Trendumkehr gewarnt!
Der Aktienkurs jedoch denkt nicht so!
iShares Global Clean Energy Transition (2020 – 2023)

Gleicher Fonds - anderer Zeitraum
Wer mit Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahre (siehe oben) das Thema Erneuerbare Energie für sich ab- und ausgeschlossen hat, verschenkte in den 7 Jahren danach bis zu 400 % Gewinnchancen.
Bestätigungsfehler
Anleger neigen gerne dazu, vermehrt nach Informationen zu suchen, die unsere (Anlage-)Entscheidung als gut/richtig bestätigen. Informationen, die gegen unsere Überzeugungen stehen, werden von uns gerne ausgeblendet.
Hat ein Anleger eine Aktie gekauft, sucht und findet er natürlich auch Meinungen von Profis, die zum Einstieg blasen. Wir fühlen uns großartig, weil wir genauso schlau sind wie die hochbezahlten Analysten. Vielleicht sind wir ja aber auch besser, denn schließlich haben wir die Aktie doch bereits im Depot, bevor der Analyst sie empfohlen hat.
Warnungen hingegen schlagen wir in den Wind. Was wissen die schon?
Sind Anleger Selbstüberschätzer?
Viele Anleger denken, sie seien schlauer als der Markt oder in der Lage, langfristig durch eigenes Können, ein „goldenes Händchen“ oder Ähnliches einen Vorteil gegenüber den übrigen Marktteilnehmern zu haben und dadurch überdurchschnittliche Renditen erwirtschaften zu können.
Hätte, hätte, Fahrradkette
„Hätte“ und „wenn“ sind zwei Begriffe, die im Anlagebereich nichts zu suchen haben. Wie oben versucht zu erläutern, ist bei einer Anlageentscheidung das Rückwärtsschauen nicht besonders hilfreich. So wenig wir unser bisheriges Leben ändern können, können wir genauso wenig rückwärts investieren.
iShares Global Clean Energy Transition (2020 – 2025)

Nach vorne zu schauen, heißt aber, sich selbst reflektieren zu können, wenn es um persönliche finanzielle Ziele, Risikoneigung und Disziplin geht.
Tipp:
Je öfter in einer Anlageberatung Ihnen gegenüber die Worte „hätte“ und „wenn“ benutzt werden, desto mehr sollten Sie dem Berater misstrauen!
iShares Global Clean Energy Transition (seit Auflage 2007 – 2025)

„Ganz gleich, wie ausgeklügelt unsere Entscheidungen sind, wie gut wir die Chancen beherrschen, der Zufall wird das letzte Wort haben“, sagt Bestseller-Autor Nassim Taleb.
Die perfekte Strategie an der Börse: Nur ein Trugschluss
Übrigens
Anleger, die nach einem Rating für diesen ETF suchen, werden sich bestätigt fühlen. Morningstar vergibt zwei Sterne von 5, Flexrating ein E-Rating (A—E), FWW FundsStars nur einen Stern. Auch MountainView Fondsrating hat nur einen Stern für diesen ETF übrig.
Was sagt uns das? Nichts! Oder doch? Der Fonds war bisher schlecht! Oder doch nicht? Das hängt vom Betrachtungszeitraum ab! Und was wird dort denn bewertet? Das Fondsmanagement? Das gibt es doch bei einem ETF nicht. Das Marktsegment? Das ist doch Öko und müsste allein deshalb schon gut sein.
Ratingagenturen vergleichen in der Regel nur die Performance eines Fonds im Vergleich zu anderen aus der gleichen Kategorie. Manchmal können es aber auch Birnen und Äpfel sein. Manchmal kommt auch noch ein Kostenvergleich hinzu.
Auszug aus dem Basisinformationsblatt des ETF
„… Was Sie aus diesem Produkt erhalten, hängt von der künftigen Marktentwicklung ab. Künftige Marktentwicklungen sind ungewiss und lassen sich nicht genau vorhersagen. Die dargestellten optimistischen, mittleren und pessimistischen Szenarien, die Referenzindizes/Stellvertreter verwenden können, veranschaulichen die schlechteste, die durchschnittliche und die beste Wertentwicklung des Produkts in den letzten zehn Jahren. Die Märkte könnten sich in der Zukunft vollkommen anders entwickeln."
Ei, schau´ her! Da haben wir es doch!
„Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie die Papiere nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich.“
Diese Kostolany-Weisheit kennen sicher die meisten Anleger. In der heutigen schnelllebigen Zeit, in der es aufgrund des Internets kaum noch einen Wissensvorsprung gibt und Milliarden an Dollar in Millisekunden um die Erde transferiert werden können, sich Trends immer schneller abwechseln, die Presse sich mit „Analysen“, Meinungen und Ratschlägen überbietet und Banken mehr und mehr standardisieren, als individuell zu beraten, wird der Kleinanleger immer mehr zum Getriebenen als zum Strategen.
„Was heißt das für mich konkret!?“
Die Idee, dass ein Affe mit zufälliger Aktienauswahl an der Börse erfolgreicher sein könnte als ein menschlicher Profi, ist ein bekanntes Konzept aus der Finanzwelt. Es basiert auf der Beobachtung, dass auch zufällig zusammengestellte Aktienportfolios eine überraschend gute Performance erzielen können, was die Effizienz von menschlichen Fondsmanagern infrage stellt.
Ist Anlageerfolg also purer Zufall? Sind Börsen ein reines Roulette?
Die meisten hierzulande fahren mindestens einmal im Jahr in den Urlaub. Mit dem Urlaubsort legen wir das Ziel fest. Mit der Wahl des Transportmittels entscheiden wir uns, wie wir das Ziel erreichen wollen. Ob wir selbst fahren (eigener Pkw) oder uns fahren lassen (Bus, Bahn oder Flugzeug). Die Statistik sagt, dass das Flugzeug und die Bahn die sichersten und schnellsten Verkehrsmittel sind. Die eigenen Erfahrungen jedoch können etwas anderes sagen – zumindest was die Deutsche Bahn betrifft.
Aber wir wissen nicht, ob uns gerade dann, wenn es losgehen soll, aufgrund eines Unfalls, eines stundenlangen Staus auf der Autobahn, dem Ausfall eines ICEs oder eines Streiks des Bodenpersonals ein Strich durch unsere noch so ausgeklügelte Statistik bzw. durch unsere hochkomplexe Rechnung gemacht wird.
Die Zukunft ist nicht vorhersehbar! Müssen wir deshalb Angst vor ihr haben? Müssen wir deshalb unsere Ziele abschreiben? Mit etwas Mut, Strategie und Zuversicht sowie Disziplin können wir die meisten Ziele erreichen. Und wenn nicht heute, dann morgen. Das gilt für das Leben genauso wie für die Vermögensanlage.
Die Börse kann nur dann funktionieren, wenn am Markt Optimisten und Pessimisten gibt. Wenn es nur Optimisten gäbe, wer würde Ihnen dann seine Aktien verkaufen? Gäbe es nur Pessimisten, würde Ihnen keiner Ihre Aktien abkaufen. Die Kursentwicklung allein sagt uns, welche Seite gerade überwiegt! Deshalb ist es ratsam, eine emotions- und prognosefreie Anlagestrategie zu bevorzugen, deren Ziel es ist, den größten Teil der Gesamtmarktrendite zu erwirtschaften, auch wenn diese eine Zeit lang negativ sein kann.
Fortsetzung folgt!





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